Warum ich keine „Social-Media“-Workshops mehr gebe
Hallo, hallo! Wer auf der Suche nach Social-Media-Workshops hier auf meiner Website landet – bitte nicht sofort den Tab schließen. Ihr seid hier schon richtig. Lasst mich erklären, was der Unterschied zwischen Social-Media- und „Social-Media“-Workshops ist, warum ich letztere nicht mehr mache und meine Beweggründe.
„Kannst du bitte einen Social-Media-Workshop machen?“
Ich bekomme häufig Anfragen nach Social-Media-Workshops. „Social Media für Vereine“ oder „Social Media mit einem Fokus auf Instagram“. Lange habe ich diese Anfragen angenommen. Jetzt muss ich meine Herangehensweise ändern.
Denn: „Social Media“ ist einfach viel zu vage. Das, was ich unter einem Social-Media-Workshop verstehe, deckt sich nicht unbedingt mit dem, was die Teilnehmenden erwarten.
Wir kennen alle diese Metapher, die sich wunderbar auf verschiedene zu vage Fragen erzählen lässt: Kommt jemand ein ein Autohaus und fragt: „Was kostet ein Auto?“. Hier könnte man ja auch keine präzise Antwort geben, sondern müsste erstmal die Rahmenbedingungen abfragen. Soll es ein Gebraucht- oder Neuwagen sein? Soll es ein günstiger Kleinwagen oder ein repräsentativer Sportwagen sein? Soll das Auto eine bestimmte Anzahl von Sitzen haben, einen E-Antrieb oder ein anderes Merkmal? Erst mit einer präzisen Fragestellung kann man die Frage beantworten. So ist es auch im Social-Media-Bereich.
Das Problem mit Social-Media-Workshops
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die das Social-Media-Feld so weit machen:
- sehr unterschiedliche Kenntnisstände der Teilnehmenden und zum Teil auch eine Selbstunter- oder überschätzung
- Mangelnde Praxiserfahrung, mit der viele Fragen oder Probleme obsolet werden würden
- Schwierigkeiten bei der Übertragung von der privaten auf die „professionelle“ Nutzung
- unterschiedliches „Talent“ oder unterschiedliche Affinität
- negative Haltung, oft Ablehnung oder das Bedürfnis, erstmal über Grundsatzfragen („Wollen wir das nutzen?“) zu diskutieren
- Eine „muss man ja“-Attitüde ohne Lernwillen
- übertriebene Erwartungen an Social Media allgemein und einen Social-Media-Workshop im speziellen
- Schwierige organisationsinterne Rahmenbedingungen, die sich durch einen Workshop nicht lösen lassen (z.B.: keine Zeit für Social Media, Vorstand ist dagegen, Kolleg:innen unterstützen nicht, …)
- Auftraggeber:innen, die selber die Bedürfnisse nicht genau kennen und deshalb kein gutes Briefing geben können
Die 10 verschiedenen Ebenen von Social-Media-Workshops
- Technisch: welchen Button muss ich klicken, wenn ich ein Reel erstellen will? Bedienung der Apps, Tools
- Ethisch: Wollen wir diese Riesenkonzerne unterstützen? Was macht X mit der Demokratie?
- Sozial: Accessibility, Teilhabe, Soziologie
- Rechtlich: Datenschutz, Bildrechte, Urheberrechte etc.
- Strategisch: wie wollen wir es einsetzen? Ziele, Einbettung in die Kommunikationsstrategie
- Konzeptionell: Was machen wir? Plan, Formate, Redaktionsplan etc
- Logistisch: haben wir Kapazität? Was brauchen wir? Wie organisieren wir das? Workflows
- Ästhetisch: wie machen wir das schön? Foto- und Videographie, Gestaltung, Grafikdesign
- Aktuell: News, Hypes und Trends, Popkultur
- Zukunft: wohin gehts? Prognose, Marktbeobachtung, Branchennews
Ein Workshop, in dem die Teilnehmer:innen Technik, Ethik und Recht erwarten und ich mit ihnen Strategie und Logistik behandle, wird beide Seiten nicht glücklich machen.
Ein Workshop kann keine eierlegende Wollmilchsau sein
Ein Social-Media-Workshop soll ohne konkretes Briefing oft eine eierlegende Wollmilchsau sein. Am besten wird der Beschreibungstext noch mit Floskeln alá „Werde zum Social-Media-Profi!“ gespickt. Dann ist es klar, dass Leute mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen in den Workshop kommen. Manche von ihnen werden positiv überrascht, weil sie Dinge gelernt haben, von denen sie noch nicht wussten, dass sie die brauchen. Andere werden enttäuscht.
In der Vergangenheit habe ich versucht, das zu vermeiden, indem ich im telefonischen Vorgespräch mit Auftraggeber:innen in spe klar gemacht habe, was ich nicht mache (Buttons erklären, Datenschutzinfos geben, Schritt-für-Schritt-Tutorials, ….). Ich habe erklärt, was mein Ansatz ist und habe Einladungstexte selber geschrieben, um die Erwartungen zu setzen.
Aber selbst mit diesen Maßnahmen passiert es immernoch, dass die Gruppe in Social-Media-Workshop zu unterschiedlich ist und kein Flow aufkommt.
Deshalb werde ich ab sofort keine Anfragen für „Social-Media-Workshops“ mehr annehmen.
Du brauchst keinen Workshop, du brauchst Praxis
Wie eben schon angedeutet: Ich interessiere mich hauptsächlich für den strategischen Part von Social-Media-Kommunikation. Deshalb frustriert es mich, wenn Leute dann zehn Schritte zurück gehen und erstmal Grundsatzfragen alá „Ist Mark Zuckerberg böse?“ diskutieren wollen oder Themen wie Datenschutz, Bildreche, Urheberrechte und andere Dinge besprochen wollen, die man (a) wunderbar googlen kann und zu denen ich (b) als Nicht-Juristin sowieso keine verbindliche Aussage machen kann.
Mein absoluter Endgegner sind aber Fragen, die davon stammen, dass die Teilnehmenden absolut keine Praxiserfahrung mit sozialen Netzwerken haben. Das betrifft technische Fragen („Was ist der Unterschied zwischen einer Story und einem Reel?“ „Wo muss ich klicken, um bei Facebook ein Event anzulegen?“), aber auch Fragen der Social-Media-Kultur.
Was ist üblich? Was ist gerade im Trend? Was ist ein Meme? Warum kommen Posts mit Logos und Produktbildern nicht gut an? Warum ist es unhöflich und spammy, andere Accounts massenhaft zu markieren? Welche Spam-Kommentare kann ich guten Gewissens löschen, welche echten (!) Kommentare sollte ich aus Höflichkeit beantworten? Welche Beiträge gefallen mir bei anderen Accounts und warum?
Wenn ich Social-Media-Workshops alá „Instagram für absolute Beginner“ oder „Facebook für Best Ager“ anbieten würden, dann wären diese Fragen absolut kein Problem! Größtenteils mache ich aber Strategieworkshops für Menschen, deren ehrenamtlicher oder sogar hauptamtlicher Job es ist, die Social-Media-Kommunikation ihrer Organisationen zu übernehmen.
Ich würde mich im Pfadfinderlager auch nicht unbedingt für den Job der Camp-Köchin bewerben, wenn mein Alltagsverständnis von „Kochen“ dem Auftauen von Tiefkühlpizza gleichkommt…
Wenn die Basics klar wären, dann würden viel bessere Fragen kommen, deren Beantwortung dann auch für alle Menschen einen Mehrwert hat.
Ich hoffe, dass dieser Beitrag nicht wie ein Gejammere über meine undankbaren und ungebildeten Teilnehmer:innen wirkt. Denn das soll er nicht sein; und ich hatte auch schon tolle Workshopstunden mit Leuten, die sowohl die Basisfragen gestellt haben als auch offen für meinen Lieblings-Strategie-Teil waren.
Meine Motivation für diesen Beitrag ist, ausführlich zu erklären, warum ein allgemeiner „Social-Media“-Workshop (oder: Social Media für Vereine, Social Media für Startups, Social Media für…) für beide Seiten nicht zielführend ist. Nicht nur mir macht es keinen Spaß, meinen „ich bin keine Juristin und kann diese Frage daher leider nicht beantworten“-Standardsatz runterzuleiern, sondern das frustriert natürlich auch die Teilnehmer:innen.
Deshalb soll der letzte Teil dieses Blogposts eine Art Guide sein:
Der erste Schritt, um einen *guten* Social-Media-Workshop zu beauftragen
Okay, du hast also den Job, eine Referent:in für einen „Social Media“-Workshop zu finden.
Die erste Frage ist der Kontext der Anfrage. Soll der Workshop im Kontext einer Weiterbildungsreihe stattfinden? Eines Programms? Eines Fachtags?
Kamen Wünsche oder Anfragen zu diesem Programmpunkt? Was genau haben die Leute denn für Erwartungen? Was haben sie für ein Problem mit Social Media? Oder haben sie ein anderes Problem (z.B. Mitgliedermangel) und denken sie, dass Social Media die Lösung ist?
Wenn es noch gar keinen konkreten Bedarf gibt, sondern eher ein Interesse, dann ist manchmal ein Workshop das falsche Format. Ein Vortrag kann dann viel passender sein und die passenden Infos (z.B. Rechtsthemen) oder Inspiration (z.B. Fallstudien) liefern.
Wenn es doch ein Workshop sein soll, dann ist es sehr wichtig, das genaue Lernziel und Ergebnis des Workshops zu definieren. Hier ein paar Beispiele:
- Lernen, wie man Instagram Reels dreht und schneidet
- Lernen, wie man Anzeigen bei Facebook schaltet
- Analysieren, was man am eigenen Social-Media-Profil verbessern kann
- Diskutieren und entscheiden, ob man als Verein von Twitter/X zu Mastodon wechselt oder nicht
Zu guter letzt sollte gut eingegrenzt werden, welche Teilnehmer:innen zu diesem Workshop kommen sollten und wer nicht. Eine Selbsteinschätzung alá „Anfänger“ oder „Fortgeschrittene“ ist meiner Erfahrung nach nur selten zielführend. Die Eingrenzung sollte also spezifischer sein oder vielleicht sogar mit einer Vorbereitungsaufgabe o.ä. verknüpft werden.
Faustregel: Je konkreter, desto wahrscheinlicher wird der Workshop ein wirklicher Gewinn für die Teilnehmenden.
Aus diesem Grund möchte ich alle Auftraggeber:innen, die von mir einen „Social Media“-Workshop wollen, um ein konkretes Briefing bitten. Alternativ kann ich ein paar eng umrissende Workshopthemen anbieten, die sich schon bewährt haben.