Digitale Redaktionssitzungen in großen Gruppen: Zwei Methoden
Das digitale Wintersemester 2020/21 hat mich vor eine Herausforderung gestellt: Wie gestalte ich die Feedback- und Redaktionssitzungen in meinen Seminaren mit 10+ Studierenden?
Mein Digitale-Kompetenzen-Kurs hatte im Sommersemester mit einer kleinen Gruppe von nur 6 Studis stattgefunden. In kleiner Runde konnten wir „ganz normale“ Redaktionssitzungen halten: Alle haben genug Zeit, ihre Ideen, Fortschritte und Fragen vorzustellen – und wer will, kann seinen oder ihren Senf dazugeben.
Mit der doppelten Anzahl wird das zäh und langwierig. Um trotzdem gutes Feedback für die Kreativprojekte der Studierenden zu generieren habe ich zwei Methoden ausprobiert, die ich hier vorstellen möchte:
Methode 1: Fokussiertes Feedback mit der Hüte-Methode
Bei dieser Methode wird die Denkhüte-Methode von Edward de Bono genutzt, um zielgerichtet und flott Feedback zu sammeln.
In der Originalmethode gibt es sechs verschiedene Hüte, die verschiedene Perspektiven symbolisieren. Je nachdem, welchen Hut man aufhat, soll man also besonders kreativ, optimistisch, pessimistisch, subjektiv, objektiv oder strukturiert auf das Thema blicken. Für ein Service-Learning-Seminar haben Luisa und ich die Methode schonmal benutzt und hier im erzähl-davon-Podcast besprochen.
Ich persönlich empfinde sechs Hüte als zu viel und beschränke mich meist auf vier Rollen:
1. die optimistische Rolle
Dieser Person sieht das Positive und lobt, was sie besonders gut an der Idee oder dem Projekt findet. Es bietet sich an, erstmal mit Lob einzusteigen, um den Druck nach der Präsentation herauszunehmen.
2. die pessimistische Rolle
So, nach dem Lob gibts Gemecker. Naja, nicht unbedingt: Wer den pessimistischen Hut trägt, findet eventuell direkt etwas zu kritisieren („Die Schrift ist nicht gut lesbar„), vor allem aber denkt diese Rolle in die Zukunft und überlegt, was alles schief gehen könnte oder wo Stolperfallen liegen.
3. die kreative Rolle
Die kreative Person überlegt: Wie könnte man das noch kreativer, außergewöhnlicher, spannender, innovativer gestalten? Im besten Fall wird durch ihren Input das Besondere an der Idee unterstrichen.
4. die strukturierte Rolle
Am besten ist die Person mit dem strukturierten Hut als letztes dran, denn sie fasst zusammen: Was wurde beschlossen und was ist als nächstes zu tun? Was sind die nächsten Schritte? Zusammengefasst kann das direkt ins Protokoll und kein Feedback geht verloren!
Die Methode in Action
Damit die Redaktionssitzung möglichst smooth verläuft, bietet es sich hier an, einen Plan zu machen und die Studierenden in Gruppen einzuteilen. (Ich meine damit keine Arbeitsgruppen, sondern Gruppen im Zeitplan.)
Angenommen, im Kurs sind 12 Studierende. Dann würde ich 4 Durchgänge planen.
Im ersten Durchgang haben die Studierenden 1, 2 und 3 jeweils ein paar Minuten Zeit, ihre Idee oder ihren Fortschritt vorzustellen. Von den übrigen 9 Studierenden wird eine Person fürs Protokoll eingeteilt, die anderen 8 verteilen sich auf die vier Hüte/Rollen. (Dabei können sie sich entweder selber aussuchen, welche Rolle sie füllen wollen, oder ich teile sie ein.) Ich selber achte auf die Zeit und übernehme die Moderation („Was sagen die Kreativen dazu?“)
Nach dem Durchgang sind 3 andere Studierende mit der Präsentation dran und die Hüte/Rollen werden durchmischt.
Beispielhafter Ablauf- und Zeitplan:
Durch die Denkhüte wird das Feedback viel präziser, unnötige Wiederholungen werden vermieden und die Methode macht den Studierenden meiner Erfahrung nach auch viel Spaß.
Methode 2: Feedback in Breakout Rooms
Die zweite Methode ist dann geeignet, wenn die knappe Zeit oder die Gruppengröße es einfach nicht zulassen, dass alle alles mitbekommen und feedbacken können.
Die Methode in Action
Wie auch schon bei der ersten Methode werden hier Gruppen für Durchgänge gebildet. Immer 2-3 Studierende haben ein kurzes Zeitfenster, um ihre Fortschritte zu präsentieren und im besten Fall schon eine konkrete Frage an die Gruppe zu formulieren. Wenn die Zeit es zulässt, kann hier schon eine Diskussion im Plenum aufkommen. Ansonsten werden Feedback und Diskussion in Kleingruppen durchgeführt.
Ich persönlich habe bei dieser Methode die Gruppen immer vorher zusammengestellt, weil es dann echt fix gehen muss und die Auswahl eines gewünschten Raumes nur Zeit frisst.
Beispielhafter Ablauf- und Zeitplan:
Der Vorteil der Diskussion in Kleingruppen ist, dass hier nicht 1-2 extrovertierte Personen die Diskussion dominieren können, sondern alle zu Wort kommen können und müssen. Für diejenigen, deren Ideen oder Projekt diskutiert wird, fühlt sich die Kleingruppe (hoffentlich) angenehmer an als vor der ganzen Gruppe.
Man könnte diese Methode noch extremer gestalten, indem nicht nur das Feedback, sondern auch die Präsentation an sich in Breakout Rooms stattfindet. Allerdings würde ich als Dozentin dann ja auch nicht alle Präsentationen mitbekommen; außerdem können Ideen, die während der Präsentation kommen aber nicht in Breakout Rooms besprochen werden können, von allen im Protokoll vermerkt werden.
In meinen Kursen haben diese Methoden gut funktioniert. Wer sie ausprobieren und seine/ihre Erfahrungen teilen möchte: Schreibt mir gern eine Mail oder eine Nachricht in den sozialen Netzwerken.
Wer die oben gescreenshotteten Pläne haben und weiterverwenden mag: