Mock Companies in der Lehre

Was haben eine Home-Office-Beraterin, ein Body-Neutrality-Fitnessstudio, eine Dänisch-als-Fremdsprache-Kampagne und eine sauerländische Manufaktur für Handpflegeprodukte aus Ziegenmilch gemeinsam? 

Sie sind spannende Cases für die Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie – und sie existieren nicht. Diese vier Unternehmen habe ich mir ausgedacht. 

Mock Company, die: ein fiktives Unternehmensprofil als Ausgang für Übungen und Case Studies.

Anfang des Jahres habe ich ein Seminar zum Thema Social-Media-Kommunikation an meiner Alma Mater gehalten und wollte weder (a) das Seminar ausschließlich theoretisch halten noch (b) den großen Organisationsaufwand auf mich nehmen, echte Unternehmen und Organisationen ins Boot zu holen.

Mit den vier fiktiven Unternehmen, ihren Background Stories, ihren Zielen und Chancen haben die Studierenden und ich uns eine Woche lang an der Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie entlang gehangelt, bis zur Abschlusspräsentation am Freitag. 

Einige Monate später konnte ich die gleichen fiktiven Unternehmen – aka Mock Companies –  auch als Case Studies für meinen Microcontent-Onlinekurs verwenden. 

Falls jetzt die ein oder andere Person denkt: “Es ist ja schade, dass die Studis ihre Ideen ‘für die Schublade’ entwickelt haben. Wäre es nicht besser gewesen, ein Konzept für ein echtes Unternehmen oder eine gemeinnützige Organisation zu entwickeln?!” Das kann ich verstehen – allerdings habe ich auch einige Service-Learning-Seminare auf dem Buckel und weiß, dass bei “echten”, gemeinnützigen Organisationen nicht zwangsläufig die Arbeit der Studierenden genutzt und wertgeschätzt wird. 

Aus diesen und anderen Gründen finde ich den Einsatz von Mock Companies für Lehrszenarien spannend und vielversprechend. Meine Erfahrungen zur Entwicklung und zum Einsatz möchte ich hier festhalten: 

Gründe für den Einsatz von Mock Companies

Der ideale Case: 

Ich kann die Case Study genau so gestalten, wie ich will. Sehr einfach zu lösen oder knifflig für Fortgeschrittene. In diesem Fall wollte ich vier sehr unterschiedliche Mock Companies entwerfen, um den Studierenden bei der Gruppenauswahl die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen privaten und beruflichen Interessen zu berücksichtigen.

Passend zum Lernziel:

Je nachdem, was ich vermitteln will, kann ich den Case gestalten. In meinem Fall wollte ich unterschiedliche Organisationsarten mit reinnehmen: 

  • eine NGO
  • eine Solopreneurin (Personal Brand)
  • ein lokales Unternehmen
  • ein Onlineshop

Wenn ich echte Cases aus meiner Arbeit mit erzähl davon mitgebracht hätte, wäre es sehr NGO-lastig gewesen.

Teilen? Kein Problem! 

Da es sich nicht um echte Personen, Organisationen und Zahlen handelt, muss ich mir keine Sorgen machen, Interna auszuplaudern oder zu viel zu verraten. Durch die fiktiven Unternehmensnamen und Corporate Designs gehe ich auf Nummer sicher. 

Humor reinbringen 

Die Dänischkampagne ist entstanden, da ich zu der Zeit gerne Borgen und andere dänische Serien geschaut habe. Der Ferienhof im Sauerland verkauft Ziegenprodukte, weil ich den Studis die Gelegenheit geben wollte, süße (Stock-)Fotos von Ziegenbabys in ihren Postings zu verwenden. Die fiktiven Cases lassen Raum für Kreativität und Augenzwinkern – was hoffentlich auch die Kreativität der Studis anregt.   

Mock Companies entwickeln: so bin ich vorgegangen

Planung der fiktiven Unternehmen

Als ich auf die Idee kam, fiktive Cases für mein Seminar zu verwenden, habe ich im ersten Schritt überlegt, was ich brauche und was ich damit vermitteln will. 

Ich wollte verschiedene Organisationsformen abbilden, für die es spannend wäre, eine Social-Media-Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Es handelte sich bei dem Seminar um ein Wahlangebot für Studierende aus allen Fächern – also konnte ich davon ausgehen, dass sie sich dafür interessieren, später mal beruflich was mit Social Media zu machen und entweder (a) auf Unternehmens- oder (b) auf Agenturseite im Social-Media-Marketing zu arbeiten oder (c) sich selbstständig zu machen und Social Media zum Selbstmarketing einzusetzen. 

Damit konnte ich riesige Konzerne genauso ausschließen wie Privatpersonen, die Social-Media-Accounts nur als Hobby betreiben. 

Ich hatte durchs Brainstormen selber bereits eine Liste mit Mock-Company-Ideen und konnte diese durch eine Befragung meiner eigenen Instagram-Community noch weiter füllen. 

Die finale Auswahl habe ich dann daran festgemacht, wie leicht es wohl wäre, die Seminaraufgaben für diesen Fall zu bearbeiten. Ich wollte es den Studierenden ja nicht unnötig schwer machen, sondern mit den Mock Companies nur einen Hebel bieten, die Theorieinhalte anschaulich in die Praxis zu bringen.

Geworden sind es dann diese vier fiktiven Cases: 

  1. kan du tale dansk? Eine Kampagne für Dänisch-als-Fremdsprache-Unterricht an deutschen Schulen.
  2. NuGym – ein neu eröffnetes Fitnessstudio in Tübingen, das nach dem Body-Neutrality-Ansatz arbeitet.
  3. Petra Fuchs – eine Beraterin, die ihre Kundschaft dabei unterstützt, Home-Office-Arbeitsplätze (a) ergonomisch und (b) stylisch einzurichten.
  4. Gedöönz – die Marke einer Familie aus dem Sauerland, die nicht nur Ferienwohnungen auf dem Hof vermietet, sondern auch kleine Chargen von Handpflegeprodukten aus Ziegenmilch herstellt. (Ohne Gedööns, also unnötige Zusatzsstoffe)

Briefings

Für diese vier Mock Companies habe ich dann jeweils (a) ein Briefing geschrieben und (b) ein Moodboard erstellt. 

Das Briefing gibt einen Einblick in das Unternehmen, die Personen dahinter, die Angebote, die Zielgruppen und die Ziele. Viele der Informationen sind sehr offensichtlich, bei anderen muss man zwischen den Zeilen lesen und schlussfolgern. 

Das Moodboard soll sofort einen visuellen Eindruck des Cases vermitteln und die Grundlage für das Corporate Design legen. Mit Stock Photos (von Unsplash und Canva) sowie CD-Basics (Fonts und Farben) bekommen die Studierenden einen Rahmen gesteckt. Wer das Posting des Fitnessstudios in grellen Neonfarben und Pumper-Ästhetik gestaltet, hat das Briefing nicht richtig verstanden. 

Moodboard für das fiktive Body Neutrality Fitnesstudio

Für die Vergleichbarkeit habe ich angepeilt, in Umfang und Gestaltung für alle vier Cases gleich viel Information rauszugeben.

Verteilung an die Studierenden

Die Briefings und Moodboards habe ich via Learning Management System (LMS) den Studierenden zur Verfügung gestellt. Bei der Zulassung fürs Seminar bekamen sie den Hinweis, sich die Briefings durchzulesen und für eine der vier Gruppen anzumelden. Es gab insgesamt 16 Plätze im Seminar, also vier Gruppen á vier Personen. Nach dem Wer-zuerst-kommt-mahlt-zuerst-Prinzip waren die Gruppen NuGym und Gedöönz am beliebtesten und damit am schnellsten voll, gefolgt von der Dänischkampagne und schließlich der Home-Office-Beraterin als Schlusslicht. Da mehrere Studierende das Seminar doch wieder verlassen haben, bestand das Team der Solopreneurin letztlich doch nur aus zwei Personen. Das war schade, weil so natürlich mehr Workload auf den beiden Schultern lag als bei den Viergruppen. (Aber wer schon mal mit den An- und Abmeldungen zu Seminarbeginn zu tun hatte, weiß, dass sowas unvermeidlich ist…) 

Vor dem Start des Blockseminars erhielten die Studierenden dann die erste Aufgabe, bei der auch die Mock Companies zum Einsatz kamen. Ausgestattet mit Lektüre zu Strategie-Basics wie Zielen und Zielgruppen sollten die Teilnehmenden einige Fragen zu “ihren” Mock Companies beantworten. Der Einfachheit halber war das noch eine Aufgabe in Einzelarbeit, da sich die Leute ja größtenteils noch nicht kannten.

Die Aufgaben und Einsendungen habe ich dann anonymisiert auf das Kurs-Miro-Board kopiert, um einen Startpunkt für die weitere Konzeptentwicklung zu haben. Die individuellen Lösungen waren nicht immer deckungsgleich, aber gingen schon jeweils in die richtige Richtung. 

Als generelle Faustregel habe ich den Studierenden noch mitgegeben, dass sie gerne kreativ werden dürfen, aber bitte nicht zu unrealistisch: Marketingstunts alá einen Tesla ins All schießen sind bei diesen vier Mock Companies definitiv nicht drin.

Nutzung im Social-Media-Blockseminar 

Ich möchte nicht das ganze Seminar nacherzählen, daher hier die Kurzversion: 

Im Blockseminar von Montag bis Freitag sind wir verschiedene Aspekte der Social-Media-Kommunikationsstrategie durchgegangen. In den Übungsphasen haben die Studierenden weiter an “ihren” Mock Cases gearbeitet. Durch Plenumsphasen haben die Gruppen jeweils auch mitbekommen, was die Kommiliton:innen erarbeiten. 

Am Freitag fand dann die Abschlusspräsentation statt. Dabei sind die Studierenden in die Rolle von Social-Media-Berater:innen geschlüpft, die den Inhaber:innen der jeweiligen Mock Companies in einer kurzen Präsentation vorschlagen, wie die Social-Media-Kommunikation zu gestalten wäre: Welche Kanäle, welche Themen, welche Formate, Beispielpostings und Co.

Mein Fazit nach dem ersten Seminar

In Kürze: Die Mock Companies zu erstellen war nicht wenig Arbeit, hat sich aber gelohnt. Für die Studierenden war der Lerneffekt größer, da sie die verschiedenen Elemente einer Social-Media-Strategie wie bei einem Puzzle zu einem Gesamtbild zusammensetzen konnten. Hätte man pro Seminar-Aspekt eigene Beispiele oder Übungsaufgaben genommen, wäre der Lerneffekt sicher auch da gewesen; doch das “Zusammenpuzzlen” in Kombination mit der Wahlfreiheit der Mock Company stärkt die Selbstwirksamkeit – was fürs Lernen immer ein guter Faktor ist!

Mir persönlich hat es Spaß gemacht, die Moodboards und Briefings zu erstellen (so fühlen sich also die Leute, die z.B. im Videospiel Die Sims die witzigen Nachbarschafts- oder Itembeschreibungen texten!), wobei ich auch zugeben muss, das ich mich vor allem bei der Entscheidungsphase, welche Ideen ich umsetze, etwas unter Druck gefühlt habe. Was, wenn eine Idee jetzt gut klingt, aber nachher bei den Seminaraufgaben zu unvorhergesehenen Problem führt? Was, wenn ich damit eine Gruppe “bestrafe”, weil sie es schwerer haben als ihre Peers? 

Wie es den Studierenden genau ergangen ist, kann ich natürlich nicht wissen, aber von meinem Eindruck her kamen alle soweit klar. Es war nur schade, dass durch die No-Shows ein Team aus nur zwei Personen bestand. Aber daran konnten weder sie noch ich etwas ändern.

Apropos: Das Erstellen hat sich gelohnt! Mittlerweile konnte ich die Briefings für einen anderen Zweck einsetzen: 

Weiterer Use Case: Musterlösungen für die Mock Companies

Zum Kontext: Im April habe ich meine neue Marke zum Thema Microcontent, das Microcontent Playbook, gelauncht und Frühjahr/Sommer damit verbracht, vier kleinere Onlinekurse zu erstellen. Diese vier Kurse sind mittlerweile fertig und ich verkaufe sie gebündelt als Module im Onlinekurs-Bundle.

Vier Module, vier Mock Companies – das passt doch wie die Faust aufs Auge!

Da die Kurse ähnliche Inhalte behandeln wie mein Social-Media-Seminar Anfang des Jahres, passen die Mock Companies hier ebenfalls gut rein. Allerdings habe ich sie dieses Mal nicht als Ausgangspunkt für Aufgaben genutzt (die Nutzer:innen des Onlinekurses wollen ja schließlich eine Social-Media- bzw. Microcontentstrategie für ihre eigenen Projekte entwickeln!), sondern als Inspiration. 

Dafür habe ich die Briefings und Moodboards 1:1 übernommen. Neu ist die “Musterlösung”, die ich jeweils geschrieben habe. 

Dafür habe ich jedem Modul eine Mock Company zugeordnet und die Aufgaben des Moduls für diese Mock Company gelöst: 

  • Für das Modul Microcontent Magic habe ich Gedöönz genommen (und sogar mit KI-unterstützung einen Blogpost über die Vorteile von Ziegenmilchprodukten geschrieben, um daraus dann Microcontent zu machen!). 
  • Für das Modul Themenfindung und Formatentwicklung habe ich eine Themensammlung für die Home-Office-Beraterin Petra Fuchs erstellt und Formate für ihre Kanäle Blog, YouTube, LinkedIn und Instagram skizziert. 
  • Für das Modul Kommunikationsziele und Mehrwert habe ich die Zielgruppen der Dänischkampagne unter die Lupe genommen und Kommunikationsziele der Kampagne definiert. 
  • Für das Modul kanalübergreifende Contentstrategie habe ich ausgewählt, welche Kanäle und Formate das neue NuGym-Fitnessstudio starten sollte und wie der Produktionsworkflow aussehen könnte.

Musterlösung als Inspiration

Von den Nutzer:innen habe ich positives Feedback zu den fiktiven Case Studies und Musterlösungen bekommen. Sie haben mir zurückgespiegelt, dass sie die Kreativität anregen, witzig zu lesen sind und zu “Aha, so könnte man das machen”-Erlebnissen geführt haben. 

Auch hier sehe ich bei den Mock Companies eine große Stärke, die mir beim Einsatz im Uni-Seminar schon aufgefallen war: Das “große Ganze” hilft ungemein. Die Aufgaben von A bis Z an einem Fall durchzuarbeiten bringt eine andere Perspektive mit, als nur vereinzelte Musterlösungen, Beispiele oder reale Best-Practices anzuschauen. 

Ausschnitt aus der Musterlösung: so könnte die Mock Brand „Gedöönz“ Microcontent aus einem Blogpost machen

Mock Companies im Methodenkoffer

Ich bin mir sicher, dass mir neben diesen beiden Einsatzmöglichkeiten noch weitere Gelegenheiten kommen werden, in denen ich die von mir entwickelten Mock Companies aus meinem Methodenkoffer holen kann. Alle vier fiktiven Cases sind zeitlos genug, dass sie auch in Jahren noch relevant sind. Das nehme ich zumindest an. Und selbst wenn nicht: Dann kann ich ja immer noch Neue erschaffen. 

Wichtig ist mir, dass die Mock Companies als solche gekennzeichnet werden und niemand in Seminaren oder Kursen denkt, dass das echte Fallstudien sind. Ob man von einem realen Beispiel lernt oder hypothetische “so könnte man es machen”-Fälle bespricht, ist schließlich ein großer Unterschied. 

Wer bereits mit “echten” Case Studies arbeitet, kann sich gerne von meinen Ziegenmilchhandcrememanufakturen und Co inspirieren lassen und eigene Mock Companies für die Lehre entwickeln!